Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Für die Verfolgten des NS-Regimes bedeutete der Sieg der Alliierten das Ende von jahrzehntelangem Leid und Verfolgung. Rund 800 jüdische Frauen, die sich auf einem Todesmarsch von Lippstadt in das Konzentrationslager Bergen-Belsen befanden, erlebten ihre Befreiung in Kaunitz. In Erinnerung an die Ereignisse laden die Stadt Verl und der Heimatverein Verl am Dienstag, 1. April, zu einer Gedenkfeier ein. Dazu sind um 15.30 Uhr alle Interessierten im Kötterhaus-Café (Zum Sennebach 1) willkommen.
Es war der 1. April 1945, als amerikanische Truppen das damalige Amt Verl erreichten. Für rund 800 Frauen aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn bedeutete dieser Tag die Rettung vor dem sicheren Tod. Zuvor in Auschwitz inhaftiert und später zur Zwangsarbeit in Lippstadt gezwungen, sollten sie zu Fuß in das Konzentrationslager Bergen-Belsen bei Celle gebracht werden – ein Ort des Grauens, an dem katastrophale Zustände herrschten. Hunger, Entkräftung und tödliche Krankheiten hatten die meisten der noch verbliebenen Inhaftierten bereits an den Rand des Todes gebracht. Doch bei einem Stopp in Kaunitz suchten die Bewacher des Todesmarschs angesichts der heranrückenden Alliierten das Weite und die Frauen wurden von amerikanischen Soldaten befreit.
Dank einer Schülerarbeitsgemeinschaft der Anne-Frank-Gesamtschule Gütersloh wurde das Schicksal der Frauen in den 1990er Jahren einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Auf ihre Initiative hin wurde 1995, genau 50 Jahre nach der Befreiung, ein Mahnmal am historischen Ort errichtet.
Während der Gedenkfeier findet ein gemeinsamer Gang zur Gedenktafel statt, um Blumen niederzulegen. Außerdem umfasst das Programm Grußworte von Matthias Holzmeier (Heimatverein Verl), Bürgermeister Robin Rieksneuwöhner und Irith Michelsohn (Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld), musikalische Beiträge, die Präsentation des Schülerprojekts der Anne-Frank-Gesamtschule Gütersloh und eines Schülerprojekts des Gymnasiums Verl sowie einen Vortrag von Christina Wirth über die Befreiung und anschließende Versorgung der jüdischen Frauen in Kaunitz. Abschließend bietet ein Beisammensein im Café Gelegenheit für Gespräche.
Weitere Veranstaltungen der Reihe:
Anknüpfend an die Gedenkfeier wird am Mittwoch, 2. April,um 18 Uhr im Rathaus der Film „Was uns bleibt – SchülerInnen der Anne-Frank-Gesamtschule auf den Spuren jüdischer ZwangsarbeiterInnen“ gezeigt. Für die Dokumentation begleitete Filmemacherin Barbara Lipinska-Leidinger einige der in Kaunitz befreiten Frauen mit der Kamera bei ihrer Rückkehr an diesen und weitere Orte im Jahr 1993. Dokumentiert sind zudem die Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus Kaunitz an die erste Zeit nach Kriegsende, die Einquartierung der befreiten Frauen auf den umliegenden Höfen und das zum Teil schwierige Zusammenleben. Ebenso geht es um die durchaus kontroversen Debatten in den 1990er Jahren zur Errichtung einer Gedenktafel zu Ehren der Frauen. Auch zu dem Filmabend sind alle Interessierten willkommen. Der Eintritt ist frei.
Am 7. Mai ist Andrea von Treuenfeld zu Gast und liest aus ihrem Buch „Jüdisch jetzt“. Wie stellt sich jüdisches Leben im heutigen Deutschland dar? Wie fühlen sich Jüdinnen und Juden in diesem Land? Dazu befragte die Autorin 26 Jüdinnen und Juden aus unterschiedlichen Lebens- und Arbeitswelten. Beginn ist um 19.30 Uhr im Haus Verl Nr. 8, der Eintritt ist frei.
Abschluss ist am 9. Mai (nachmittags) eine Führung in der Dokumentationsstätte Stalag 326. Zwischen 1941 und 1945 durchlief jeder dritte sowjetische Kriegsgefangene dieses Lager, von dem aus Arbeitseinsätze bis ins Ruhrgebiet organisiert wurden. Historische Räume und Dokumente zeigen den unmenschlichen Umgang mit den Gefangenen. Die Fahrt erfolgt in Fahrgemeinschaften ab Heimathaus. Eine Anmeldung ist unter matthias.holzmeier@heimatverein-verl.de erforderlich.
Außerdem ist seit dem 18. März im Heimathaus die Ausstellung "Bewahren der Erinnerung" zu sehen. Im Mittelpunkt stehen die Erinnerungen von 18 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen an ihre Kinder- und Jugendjahre während der NS- und Kriegszeit. Für das Projekt berichteten unter anderem Dr. Hans Krüper, Hans Kleinemas, Erwin Berenbrinker, Heinrich Schmalenstroer, Paula Mersch und Marianne Hoffmann von ihren Erfahrungen. Geöffnet ist das Heimathaus mittwochs und sonntags jeweils von 15 bis 17.30 Uhr. Alle Interviews sowie das Begleitheft sind auch auf unserer Themenseite zu finden.